Gestörter Schlaf

29. Mai 2021

Schlafstörungen gelten mittlerweile als Volkskrankheit und nachdem mich das Thema selbst immer wieder begleitet, möchte ich einige Aspekte aus der Sicht der TCM beleuchten und mögliche hilfreiche Informationen teilen.

Chronischer Schlafmangel erreicht viele Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen und führt langfristig zum Raubbau an unserem Jing (=Substanz). Ob Einschlaf- oder Durchschlafstörungen, beide Varianten sind lästig und zehren an Lebensqualität und Körper-Geist-Seelen Frieden.
Ich selbst habe seit über zwanzig Jahren, also wahrscheinlich ab dem Zeitpunkt meines Mutterseins, kurze Schlafenszeiten “trainiert”.

Als meine Kinder klein waren, musste ich als Alleinerzieherin einen Weg finden, Arbeit und Muttersein unter einen Hut bringen. Ich habe viel nachts gearbeitet und bin früh aufgestanden um den Tag gut strukturiert beginnen zu können. Der Schlafrhythmus spielte sich mit 4 - 5 Stunden ein und reichte mir auch. Zumindest nahm ich das über viele Jahre lang an.
Jetzt spüre ich häufig tagsüber ein Schlafbedürfnis und so oft es mir möglich ist, lege ich mich nachmittags für ein Schläfchen hin.

Die ersten Versuche in diese Richtung lernte ich in einem Retreat in Italien. Täglich bekam ich Shiatsu Behandlungen, machte Morgen- & Nachmittagsübungen, ließ mich verwöhnen und erfuhr über die Aufgabenstellung “Schlafen am Nachmittag”, dass es möglich ist, sich einfach hinzulegen und ein Stündchen zu schlafen. Noch heute bin ich dankbar für diesen Zugang. Früher hätte mich schlechtes Gewissen geplagt, die wertvollen Stunden des Tages für Schlaf zu “vergeuden”. Heute weiß ich, wie wertvoll guter Schlaf für unser Wohlbefinden ist und daher alles andere als Zeitverschwendung oder Faulheit.
Mein Erfahrungsbericht zur AufT(D)ankwoche in Ameno in der Villa Miramonte ist hier nachzulesen: https://shendo-shiatsu-schule.de/erfahrungsbericht-auft-dank-woche/


Unsere Substanz profitiert von gutem Schlaf und saisonal abgestimmter Dosierung. Im Winter z.B. lege ich mich immer vor Mitternacht schlafen um im Wasser Element zusätzlich meinem Körper Gutes zu tun. Im Sommer darf es schon längere Wachphasen geben und ich genieße die lauen Abende und nach Sonnenuntergang die Möglichkeit die Seele genussvoll baumeln zu lassen.

“Die drei Frühlingsmonate werden Aufbruch und Ausbreitung genannt. Man geht spät schlafen und stehe früh auf. Im Sommer gehe man spät schlafen, stehe früh auf und sei der Sonne nicht überdrüssig. Im Herbst gehe man früh schlafen, stehe früh auf und erhebe sich gemeinsam mit den Hähnen. Im Winter schrecke man das Yang-Qi nicht auf, gehe früh schlafen, stehe spät auf und warte dabei unbedingt das Licht der Sonne ab.”
— Huangdi neijing Suwen 2/1 - Gelber Kaiser - Grundlagenwerk der tcm

Schlafstörungen sind aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin eine Disharmonie zwischen den Energien Yin und Yang, welche unseren Körper und Geist bestimmen und Grundlage jeden Lebens sind. Sie bedingen sich gegenseitig, sie gehen auseinander hervor und sie wechseln sich in ihrer Ausprägung im Verlauf des Tages ab. Yin bildet dabei das nährende, speichernde und kühlende Element, Yang das Aktive, bewegende und warme Element. Das Verhältnis von Yin und Yang bestimmt unseren Schlaf- und Wachrhythmus.
Damit Schlaf eintreten kann, muss das Yin das Yang überwiegen. Wenn das Yang beginnt sich in das Yin zurück zu ziehen, so wird man müde. Überwiegt schließlich das Yin, so schläft man ein. Ab Mitternacht beginnt Yang dann wieder zu wachsen. Sobald es ausgeprägter ist als das Yin, erwacht man wieder.

Da Schlaf nach TCM sehr wichtig für die Gesundheit ist und ein dauerhaft gestörter Schlaf häufig ein Zeichen tieferer Ungleichgewichte ist und zu Krankheiten führen kann, ist es gut sich vertiefend damit auseinanderzusetzen.

Natürlich können Phasen im Leben sein, die uns hindern, gut zu schlafen. Stress, herausfordernde Lebenssituationen und Sorgen können den Schlaf schon stören und wenn es gelingt nach diesen schwierigen Zeiten wieder Erholung zu gönnen, viel zu schlafen und in die Selbstpflege einzutauchen, wird das wieder gut.

Schwere Schlafstörungen allerdings über einen langen Zeitraum greifen unser Jing, unsere Substanz an und benötigen genaueres Hinschauen und ärztliche Konsultation. Ich empfehle ein Schlafprotokoll über eine Zeit zu führen und ergänzend zu beobachten, was abends gegessen wird, welche Faktoren tagsüber im Gedächtnis geblieben sind oder einfach für Notizen aus der Selbstbeobachtung.

Es gibt zahlreiche Empfehlungen für die Verbesserung der Schlafqualität und Quantität. Wichtig ist allerdings, das für sich selbst Geeignete zu finden. Ich empfehle nicht, sich zu Dingen zu zwingen, die in der Ausführung eine Herausforderung darstellen und manchmal, wenn ich eine lange Aufzählung von Tipps lese, denke ich: „Jetzt muss ich schon wieder etwas tun.“

Kleine Veränderungen andenken, die nicht überfordern oder eine größere Veränderung bedeuten. Schlafpositionen ausprobieren, neue Bettwäsche besorgen, elektronische Geräte verbannen bzw. reduzieren und eine Stunde vor dem Schlafengehen kein Handy mehr in die Hand nehmen oder zur Abwechslung eine kleine Runde drehen vor dem Schlafen.

Meine Erfahrung hat mir auch gezeigt, dass die richtige Ernährung eine wesentliche Rolle spielt. Über viele Jahre hinweg habe ich ungünstige Ernährungsgewohnheiten gepflegt und nach einem langen anstrengenden Tag ein üppiges Abendessen als Belohnung zelebriert um die Nacht über zu merken, wie sehr die Verdauung mich am guten Schlaf hindert.
Heute versuche ich soweit möglich zwei Stunden vor dem Schlafengehen nur mehr etwas Leichtes zu essen. Kalte oder rohe Speisen am Abend und übermäßiges Essen schädigen den Funktionskreis Milz, der nach der TCM einen Hauptteil in der Bildung unseres Qi, der allgemeinen Energie, darstellt. Begleitet wird diese Art der Schlafstörungen häufig von Schwindel, Appetitlosigkeit und einem Schweregefühl. Zudem hat man das Gefühl, morgens nicht aus dem Bett zu kommen.

20170610-IMG_0588x.jpg

Finden sich nun zu den unregelmäßigen Schlaf- und Essensgewohnheiten auch noch übermäßige Sorgen oder Gedanken-Achterbahnfahrten, so schädigen wir auch wieder den Funktionskreis Milz und es kann zu einem übermäßigen Feuer im Funktionskreis Herz kommen. Dann erwacht man oft in der Nacht, hat Unruhezustände und Albträume, begleitet von bitterem Mundgeschmack und Durst.
Ich massiere mir häufig abends sanft (nicht zu stark, das wirkt aktivierend) die Füße. Dazu lege ich den linken Fuß auf das rechte Knie und suche den Punkt Niere 1 in einer Vertiefung der Fußsohle im oberen Drittel der Fußballen.

Diesen Punkt massiere ich kreisend mit den Mittelpunkten der Handfläche, bis sie sich warm anfühlen.

Hat man über längeren Zeitraum viel Ärger, Frustration oder Stress, so stellen sich auch häufig Schlafstörungen ein. Man fühlt sich nach einiger Zeit ohne Energie. Unruhiger Schlaf, manchmal mit heftigen Albträumen und Gereiztheit kommen ebenso dazu wie Kopfschmerzen, Schwindel, Durst und trockener Stuhlgang.
Kommt dann noch über die Ernährung “Hitze förderndes” wie Alkohol, besonders Rotwein und deftige und fette Speisen vor allem am Abend dazu, ist es notwendig eine Änderung vorzunehmen um langfristige Beschwerdemuster vorzubeugen.

Chrysanthemenblütentee, Entspannungsübungen und sanfte sportliche Betätigung würden hier gut tun.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass sich Schlafstörungen und allgemeine Müdigkeits- und Schwächegefühle sehr gut mit den Methoden der TCM wie etwa Anpassung der Ernährungsgewohnheiten, regelmäßiger Entspannung (=Shiatsu z.B.), Qigong-Übungen und Massagen gut verbessern lassen. Bei ausgeprägten Erschöpfungszuständen, die bis zu einem chronischen Müdigkeitssyndrom reichen können, sollte man allerdings einen TCM Arzt aufsuchen, um sich auch mit Akupunktur und TCM Kräutern behandeln zu lassen.

Gabriella Erber