Internationaler Frauentag - Wie lange brauchen wir diesen Tag noch?

8. März 2021

Ich bin mittlerweile gerne Frau. Das war nicht immer so.

Als mein Vater während der Schwangerschaft meiner Mutter erfahren hat, ich würde ein Mädchen und kein Gábor werden, redete er monatelang nicht mit ihr.
Als Alleinerzieherin mit zwei Kindern spürte ich früh die Bevorzugung von Männern in leitenden Funktionen oder bei der Kreditvergabe. Beinah unmöglich war es mir vor 20 Jahren einen Kredit für neuen Lebensraum zu bekommen. Ein 18 Jähriger bekam ohne viel Aufwand einen Kredit für seinen neuen BMW. Mir wurde es trotz Vollzeitbeschäftigung und jahrelang gesammelter Zuverlässigkeit bei vielen Banken verwehrt.

Ebenso war es für viele befremdlich, wenn ich Arbeiten machte, die Männern vorbehalten waren. Wie oft habe ich gehört: “Das kannst du nicht. Das ist doch die Aufgabe eines Mannes.” Auf Unverständnis stieß auch die Tatsache, dass ich liebend gerne Baumärkte besuchte statt Schuhe zu shoppen oder Kosmetikbehandlungen ausließ aber dafür gerne die verschiedensten Autos fuhr.

Also alles ein wenig unordentlich bei mir und nie freundete ich mich mit der klassischen Zuordnung Mann und Frau an.

Durch die Begegnung mit der Alleinverantwortlichkeit für Vieles musste ich aber „meinen Mann – später wandelte ich es in - meine Frau – stehen“. Ich hatte in vielen Situationen einfach keinen Mann verfügbar, der mir geholfen hätte.

Es fügte sich immer irgendwie und die meiste Zeit hatte ich weder Kraft noch Zeit mich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen. An der Tagesordnung waren das Großziehen meiner Kinder und das Bewältigen des Alltags mit allen guten und weniger guten Seiten.

Mit einer intensiveren Auseinandersetzung mit mir selbst, meinen Rollen und meiner Persönlichkeit begann ich während meiner Ausbildungen auf dem Weg zur selbständigen Shiatsu Praktikerin. Mit späterer Spezialisierung auf die Arbeit mit Frauen, veränderte sich mein Blick auf das Frausein und wurde bewusster. Langsam kam ich an bei mir selbst, akzeptierte meinen Weg und lernte auch stolz sein zu dürfen, wie ich es lebte. Mein Frausein.
Es brauchte keine Beschreibung, Rechtfertigung oder Erklärung. Ich akzeptierte, dass ich nicht nur für meine Kinder manchmal parallel in beide Rollen schlüpfen musste, sondern zugleich auch die Fähigkeit hatte alles Anfallende zu erledigen. Das war stark. Frausein und Mannsein zugleich prägten meinen Alltag mit einer Selbstverständlichkeit und nachdem meine Kinder ein Mädchen und ein Bub und in ihrer Persönlichkeit nicht klassisch ihrem Geschlecht zuordenbar sind, mischte sich unser Zugang und formte sich zu einer offenen und respektvollen Sichtweise, die absolut nicht geschlechtsbezogen war. Alle, mit allen Formen der Geschlechtszugehörigkeit sollen gleich behandelt, respektvoll und glücklich leben dürfen. Menschen wachsen mit ihren Aufgaben, dürfen mit ihren individuellen Interessen leben und sind in manchen Situationen einfach mehr fraulich und im nächsten Moment mehr männlich im Agieren.

Mittlerweile bin ich aber eine softe Kritikerin des (radikalen) Feminismus und einer Form der Emanzipation, die Männern die Würde stiehlt und wünsche mir in manchen Bereichen, dass Frauen ein paar Schritte zurückgehen und den Mann einfach Mann sein lassen. Immer wieder erlebe ich in meiner Praxis verunsicherte Männer. Es wird auch nicht mehr geflirtet. So schade! Viel Angst, Unsicherheiten und eine Form von Lethargie hat sich bei den Männern verbreitet. Emanzipation hat für mich nicht nur gute Seiten.

Natürlich muss man Übergriffe an Frauen, die eine Grenze überschreiten, ahnden und es gibt nichts Schlimmeres für eine Frau, wenn etwas gegen ihren Willen passiert. Ein Nein muss gehört werden! Die Gleichberechtigung im Leben sollte ebenso kein Thema mehr sein wie das Angleichen des Verdienstes bei gleichwertiger Arbeit. Es sollte selbstverständlich sein! Unerhört dass das noch immer nicht funktioniert!

Ebenso kritisiere ich die Diskriminierung von Frauen in manchen Kulturen und Ländern. Die Zustände in Indien finde ich ebenso fatal wie die Tatsache, dass immer noch viele Frauen und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelungen werden. 200 Millionen Frauen und Mädchen weltweit sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge von weiblicher Genitalverstümmelung/-beschneidung betroffen.
Viele schreckliche Tatsachen die unbedingt global eine Veränderung benötigen und für die wir uns alle engagieren sollten!

Die Österreichische Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung z.B. ist eine Möglichkeit, sich einen Einblick zu verschaffen und aktiv zu werden.

Wichtig ist nicht zuletzt wegen der sich durch die Pandemie zuspitzende Situation die Gewalt gegen Frauen betreffend, ein starkes Netzwerk aufzubauen. Aktuell beschäftigen sich Vereine, Plattformen und Foren intensiv mit der Thematik. https://frauentag.wien.gv.at/gewaltschutz/

ABER: Es darf auch keine Übergriffe auf Männer geben, keine Vorverurteilung, kein Pauschalisieren und selbstverständliches Zuordnen der Schuld im Falle eines Vergehens. Eine Frau darf nicht ohne Bezug zur Realität Behauptungen aufstellen, die nicht wahr sind und das Ansehen des Mannes gefährden. Wie oft passiert das seit der MeToo Bewegung?

Wünschenswert wäre ein Miteinander auf Augenhöhe, Gleichbehandlung, Gleichwertigkeit und gelebter Respekt auf allen Ebenen.

Frausein macht Freude und meine Dankbarkeit Mutter sein zu dürfen wird ebenso nie enden wie der Genuss der Weiblichkeit und das Erleben der Vielseitigkeit der Empfindungen die ermöglichen viel Schmerz auszuhalten und gleichzeitig die pure Lebensfreude und Liebe zuzulassen.
Wir leben in einem Land, in dem schon viel erreicht wurde um die Situation für Frauen zu verbessern. Ich bin der Meinung, es braucht keinen „Frauenkampftag“ oder „feministischen Kampftag“. Das ist mir alles viel zu aggressiv und das Gegenteil von dem was ich mir für uns Frauen wünsche: Aggressionslose Selbstverständlichkeit und Respekt in einer liebevollen Verpackung mit der Freude des Zusammenwirkens und Lebens. Ohne Kampf, ohne Gewalt, ohne Machtausübung, ohne Besitzanspruch aber mit viel Liebe.

Bitte liebe Frauen, wenn es euch gut geht, schätzt was ihr habt und unterstützt diejenigen, die es wirklich nötig haben. Dosiert eure Emanzipation wohlwollend und achtsam, seid zu anderen Frauen fair und nicht so mächtig, wie ihr es vielleicht von männlichen Vorgesetzten gelernt habt und überlegt immer, ob es wirklich notwendig ist, Männer in einen Topf zu werfen und alle schlecht zu machen. Es gibt auch gute, die es verdient haben, geschätzt zu werden. Wenn euch Gewalt in eurem Umfeld bekannt ist, haltet euch nicht zurück, sondern empört euch und werdet aktiv. Wegschauen ist einem Mitmachen gleichzusetzen.

In diesem Sinn, happy Frauen-Tag und ich hoffe, es braucht ihn nicht mehr allzu lang!

Buchempfehlungen:

61LoljTAuAL.jpg

»Ich habe etwas zu sagen«: Frauen, die das Wort ergreifen von Rita Kohlmaier erschienen im Elisabeth Sandmann Verlag
»Erheben Sie Ihre Stimme. Wann immer Sie können und möchten. Dieses Buch kann Ihnen den Mut dazu geben: Sie sind in bester Gesellschaft!« Stevie Schmiedel

Immer mehr Frauen wagen den öffentlichen Protest und den Aufstand: Gemeinsam marschieren sie und protestieren gegen ungleiche Bezahlung und ungleiche Bildungschancen, eine übermächtige Waffenlobby, Rassismus oder sexuelle Gewalt. Sie ergreifen das Wort und ihre klaren Botschaften inspirieren (nicht nur) Mädchen und Frauen, Haltung zu beziehen und sich für ihre Rechte deutlicher denn je einzusetzen. In diesem Buch werden charismatische, unbequeme und couragierte Frauen vorgestellt, die mit ihren Reden und öffentlichen Aktionen die Welt verändert haben oder genau jetzt verändern. Viel zu lange haben Frauen nur gelesen und geschrieben und wirkten lange im Hintergrund oder ganz im Verborgenen. Väter, Brüder, der liebe Gott und eine patriarchale Politik bestimmten über ihr Wohl und Wehe, ihren Körper und Geist, ihren Freiraum und dessen Begrenzung. Schluss damit!

Mitreißend geschriebene Porträts über Angelina Jolie, Chimamanda Ngozi Adichie, Malala Yousafzai, Oprah Winfrey, Emma Gonzaléz, aber auch über die Pionierinnen Rosa Luxemburg, Waltraud Schoppe, Rosa Parks u.v.m.

 
M03442718872-source.jpg

Ein kraftvolles und provokantes Plädoyer für Veränderung!

Unsichtbare Frauen - Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert
Caroline Criado-Perez - Verlag btb
Unsere Welt ist von Männern für Männer gemacht und tendiert dazu, die Hälfte der Bevölkerung zu ignorieren. Caroline Criado-Perez erklärt, wie dieses System funktioniert. Sie legt die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Erhebung wissenschaftlicher Daten offen. Die so entstandene Wissenslücke liegt der kontinuierlichen und systematischen Diskriminierung von Frauen zugrunde und erzeugt eine unsichtbare Verzerrung, die sich stark auf das Leben von Frauen auswirkt. Kraftvoll und provokant plädiert Criado-Perez für einen Wandel dieses Systems und lässt uns die Welt mit neuen Augen sehen.

71Csj775mnL.jpg
 

Starke Frauen - Ein Lesebuch von Fräuleinwundern und Frauenzimmern - Fischer Klassik
Von Xanthippe bis Kaiserin Maria Theresia, von Sappho bis Virginia Woolf, von Salomé bis Jenny Treibel – Geschichte und Weltliteratur sind reich an außergewöhnlichen Frauen, die ihren eigenen Weg gehen und mit dem Klischee vom Heimchen am Herd nichts zu tun haben wollen. Dieses Lesebuch versammelt kluge und kämpferische, heitere und nachdenkliche Texte von und über Frauen, denen Freiheit und weibliche Selbstbestimmung alles andere als eine Nebensache war.

Mit Texten von Charlotte Brontë, Jane Austen, Annette von Droste-Hülshoff und vielen anderen.

 
51BTkVkio+L.jpg

30 Frauen, die Mut machen: »Falle siebenmal hin und stehe achtmal auf«
von Geoff Blackwell (Herausgeber), Ruth Hobday (Herausgeber), Julia Leeb (Mitwirkende), Jacinda Ardern (Mitwirkende), Kieran E. Scott (Fotograf)

Frauen aus Lebensumständen, wie sie nicht unterschiedlicher sein könnten, darunter berühmte und völlig unbekannte, wohlhabende und bitterarme, erzählen aufrichtig und zutiefst berührend, warum sie keine Opfer sein wollen und woher ihr grenzenloser Optimismus kommt. Einfühlsam und authentisch berichten sie von ihren Erlebnissen, von ihrem Lebenswillen, der inneren Kraft und ihrem Mut, immer wieder aufzustehen.

ERMUTIGEND, INSPIRIEREND, BERÜHREND

Fotografiert von Kieran E. Scott, der zusammen mit dem Herausgeberteam Geoff Blackwell und Ruth Hobday um die Welt reiste, und dem abermals (so auch bei »200 Frauen. Was uns bewegt«) sensationelle Porträts gelungen sind.

Gabriella Erber