Trauer oder das Seinlassen
14. Nov., 2020
Aus persönlichen Gründen erreicht mich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema Trauer.
Seit Jahren begleite ich Menschen in Prozessen rund um Trauer, Verluste oder das Annehmen von Schicksalsschlägen.
Nach dem Verlust meiner geliebten Großmutter vor zwei Jahren, erreicht mich jetzt das Abschiednehmen von einem über viele Jahre eng verbundenen Herzensmenschen, die beinah auch wie eine Oma für mich war. Eben haben wir noch unser jährliches Ritual das Besuchen von Verstorbenen am Wiener Zentralfriedhof abgehalten und dabei wie jedes Jahr trotz Traurigkeit in der Begegnung mit Erinnerungen auch Freude empfunden. Alle Jahre wieder beim Besuch der dritten Ruhestätte verfahren wir uns und dennoch kommen wir mit der Hilfe eines kleinen Engels immer wieder an.
Eben haben wir noch telefoniert. Ich habe einfach zugehört und versucht die Tragik des aktuellen Jahres mit der Schwierigkeit, sich regelmäßig zu sehen oder einfach in der so notwendigen Umarmung und Berührung zu begegnen, für sie begreifbar zu machen.
Mit älteren Menschen war und ist das heuer eine sehr schwierige Situation, denn sie tun sich schwer in der vertieften Isolation, ohnehin geschwächt durch Verluste ihrer altersgleichen Verbindungen und Freundschaften und zusätzlich gefährdet durch das um sich schlagende Virus Covid-19. Wie erklärt man ihnen, dass eine Umarmung unmöglich ist oder die sanfte gewohnte Berührung vielleicht gefährlich.
Nun, meiner lieben Herzensdame, die ich über viele Jahre begleiten durfte und daraus eine innige Freundschaft und Verbundenheit entstanden ist, brauche ich es nicht mehr erklären. Ihre Seele hat den Weg des Gehens gewählt und zurück bleibt die Traurigkeit, nicht mehr Zeit mit ihr verbringen zu können.
Ich versuche nun mutig zu sein um meine Gefühlswelt und die Auseinandersetzung mit Sterben, Verlust und Tod für mich zu verstehen und anzunehmen. Wenn Menschen mich trösten wollen, weiche ich aus und es gibt auch aktuell keine Lösungen oder Vorschläge, die passen. Mitmenschen, die versuchen zu helfen und dabei beruhigen wollen, von sich reden oder Lebensweisheiten von sich geben, sind gerade nicht die Begleiter meiner Wahl.
Es ist schwierig Trauernde zu begleiten und einfach “nur” für sie da zu sein und jeder Mensch trauert anders.
Dennoch gibt es sie. Menschen, die einfach da sind für mich. Dafür bin ich dankbar.
Ebenso dankbar bin ich für Menschen, die sich Zeit nehmen ohne Lösungen anzubieten, einfach zuhören ohne Ratschläge oder Tipps zu geben. Menschen, die Respekt zeigen und kein Mitleid.
Bei einer lieben Shiatsu Kollegin durfte ich vor einigen Jahren ein Seminar besuchen. “Shiatsu und Trauer”. Christine Höller hält für mich die richtigen Worte bereit, die mir auch jetzt so sehr helfen:
”Die Trauer darf nun einen Raum bekommen, sie wird von mir mit allen Sinnen wahrgenommen. Ich sehe ihre Masken und auch ihre Kleider, schau auf die Denker, Macher und Vermeider. Berühr die Angst, die Wut und die Verzweiflung, mach Platz für neues Leben und für tiefe Heilung.”